Ca 17.000 „neue Knie“ gibt es pro Jahr in Österreich. 5 bis 10 % aller Patienten sind nach der Operation von einer Arthrofibrose betroffen. Dabei handelt es sich – vereinfacht ausgedrückt – um Verklebungen. Die Betroffenen leiden unter Schmerzen, die Beweglichkeit des Knies ist stark eingeschränkt.

 

Derzeit besteht die Behandlung in der Regel aus erzwungenem Dehnen, das über die Schmerzgrenze hinaus geht und daher zum Teil unter Narkose ausgeführt wird. In der „Wiener klinischen Wochenschrift“ berichtet das Team der Physikalischen Medizin der Klinik Wien Donaustadt von einem neuen Behandlungsmodell, das ohne diese schmerzhaften Dehnungen auskommt und unter anderem Hochtontherapie einsetzt.

 

Konservative Behandlung der Kniearthrofibrose nach einem zellulären Zytokin-basierten Modell | Wiener klinische Wochenschrift

 

Vorgeschlagen wird eine Beendigung der schmerzhaften Dehnung und ein Behandlungsmix aus mehreren Maßnahmen der physikalischen Medizin:

  • sanfte Entspannung/Dehnung auf der Grundlage der Schwerkraft
  • passive Mobilisierung der Patella
  • Verbesserung der Mikrozirkulation durch
    manuelle Lymphdrainagen/Bindegewebsmassagen,
    schmerzfreie elektrische Stimulation z.B. Hochtontherapie Osteoarthritis-Programm /Lasertherapie /Magnetfeldtherapie /Reflexzonenmassage /osteopathische Weichteiltechniken
  • allgemeine Entspannungstechniken, autogenes Training (mit dem Ziel der Stimulation des Vagusnervs und der sympathischen Hemmung)
  • medizinische Trainingstherapie (z.B. Ergometer, Krafttraining), Subaqua-Therapie, kontinuierliche passive Bewegung (CPM; 30 min zweimal täglich über 6 Wochen bei niedriger Geschwindigkeit), Gangtraining, Spiegeltherapie (bei gleichzeitigem komplexem regionalem Schmerzsyndrom) streng im schmerzfreien Bereich und ohne Zunahme des Spannungsgefühls
  • kein zusätzlicher chirurgischer Eingriff für mindestens 1 Jahr

Arthofibrose geht mit massiven Einschränkungen einher: Auch bei Patienten mit einer leichten Abnahme der Streckung ist das Gehen beeinträchtigt. Verminderte Beugung führt zu Schwierigkeiten beim Treppensteigen oder Sitzen. Diese Einschränkungen führen zu Beeinträchtigungen bei instrumentellen Aktivitäten des täglichen Lebens, wie z.B. dem Autofahren sowie bei der Teilhabe, einschließlich der Rückkehr an den Arbeitsplatz, bei insgesamt geringer Lebensqualität.

Die Autoren über die Hintergründe:

„Relativ junge Forschungen befürworten ein neues Verständnis der sogenannten zellulären Zytokin-basierten Pathogenese, an der mehrere proinflammatorische Zytokine, Myofibroblasten und emotionale Belastung beteiligt sind. Daher müssen im Rehabilitationsprozess einige wichtige Aspekte berücksichtigt werden, wie z.B. die Warnfunktion von Schmerzen, die Beendigung der erzwungenen Gelenkmobilisation, die erlaubte Bewegung im schmerzfreien Bereich, das Ausbalancieren des vegetativen Systems und Entspannungstechniken.“

Folgende Parameter wurden zu Studienbeginn, nach zweimonatiger Behandlung sowie bei einer Nachuntersuchung nach mindestens 12 Monaten untersucht:

  • Patellabeweglichkeit (mediolateral und kraniokaudal)
  • Bewegungsumfang
  • Gefühl der Enge
  • Überhitzung
  • nächtliche Schmerzen, Schmerzen nach der Aktivität, Schmerzmittel
  • allgemeine Mobilität, Hilfsmittel wie Krücken
  • Arbeitsstatus
  • Notwendigkeit einer zusätzlichen Operation

Das Ergebnis ist vielversprechend:

„Diese Pilotevaluation zeigte ein hohes Potenzial des Konzepts. Bei den meisten Patienten wurde bereits nach zwei Monaten eine deutliche Verbesserung beobachtet, mit einer weiteren Verbesserung bei der Nachuntersuchung. Von den vier Patienten waren drei insgesamt sehr zufrieden mit dem Programm und konnten Freizeitaktivitäten wie lange Wanderungen und Tanzen wieder aufnehmen. Patientin 4 berichtete nicht nur über eine geringe Einhaltung des AF-Konzepts, sondern hatte auch eine Revisionsoperation in einer anderen Klinik. Danach verbesserten sich jedoch weder die Symptome noch der Bewegungsumfang deutlich. Daher gehen wir davon aus, dass ein erheblicher Teil ihres Zustands durch die Einhaltung des AF-Protokolls unserer Klinik gelindert werden könnte.“

Schmerzhaftes Dehnen verbessert den Bewegungsumfang nicht.

Das könnte einen Paradigmenwechsel für die Behandlung der Kniearthofibrose bedeuten:

„Derzeit basiert die Behandlung auf einem pathophysiologischen Adhäsionsmodell und beinhaltet in der Regel erzwungenes Dehnen, um den Bewegungsumfang wiederzuerlangen. Eine intensive klassische Physiotherapie mit Dehnung oder kontinuierlicher passiver Bewegung ist jedoch oft schmerzhaft und verbessert den Bewegungsumfang nicht, sondern führt häufig sogar zu einer weiteren Abnahme der Funktion. Hinzu kommt, dass Manipulationen unter Narkose und sogar chirurgische Arthrolyse oft nur eine kurzfristige Verbesserung der Beweglichkeit bewirken und zu erfolglosen Behandlungsprozessen führen.“

Autoren: Robert Wakolbinger-Habel, Jakob Gaudernak, Brigitte Elisabeth Scheffold, Rainer Fiala, Robert Breuer, Martin Bittner-Frank, Clemens Lang, Helena Zehetner-Nics, Ana Oljaca, Mehdi Mousavi & Tatjana Paternostro-Sluga

 

Hier geht es zur Studie

Konservative Behandlung der Kniearthrofibrose nach einem zellulären Zytokin-basierten Modell | Wiener klinische Wochenschrift

 

Hochtontherapie – mehr Infos

Eingesetzt wurde ein Hochtontherapiegerät HiToP 4 touch, das angewendete Programm ist eine Kombination aus dem Schmerzprogramm und SimulFAM® i. SimulFAM bedeutet die simultane Modulation von Frequenz und Amplitude, was ein Alleinstellungsmerkmal der Hochtontherapie im Reigen der Physikalischen Modalitäten darstellt und ihren Erfolg begründet.

 

Barbara Chaloupek für wissen@schuhfriedmed.at

Wien, 02.04.2025