Eine Polyneuropathie kann an die 500 Ursachen haben. Somit gibt es viele Ärzte und Therapeuten, die damit zu tun haben, aber keine Neurologie-Fachkräfte sind: Internisten, wenn die Polyneuropathie aufgrund von Diabetes entsteht. Hämato-/Onkologen wenn die Nervenschädigung von einer Chemotherapie her rührt. Urologen, wenn sie mit Nierenfehlfunktionen zu tun hat. Orthopäden, wenn sie im Bewegungsablauf auffällt und an eine Fehlstellungskorrektur und Einlagen gedacht wird.

Polyneuropathie – Alarmsignale

  • Die Beschwerden zeigen sich in den Füßen, an Waden und Schienbein oder Händen
  • Manchmal kribbelt oder brennt es unter der Haut, als würden Ameisen darunter laufen.
  • Manchmal tauchen Schmerzen auf, die irgendwie keine Ursache haben.
  • Ich habe eine deutliche Taubheit in den obersten Fingergliedern oder Zehen.
  • Berührung oder Stiche an den Zehen oder Füßen spüre ich nicht.
  • Die Füße gehören gar nicht mehr zu mir, sind taub oder wie in zu enge Skischuhe eingeschnürt.
  • Wenn ich die große Zehe oder den Vorfuß anheben will muss ich mich ziemlich anstrengen.
  • Beim Gehen fühle ich mich nicht mehr so sicher.
  • Manchmal fühlt es sich an, als hätte ich Schwämme oder etwas Wabbeliges unter den Füßen.
  • Mein Schlaf ist durch Krämpfe oder Missempfindungen beeinträchtigt.


Kribbeln, Brennen, Ameislaufen – schmerzhafte Symptome

Eine schmerzhafte Nervenschädigung, d.h. ein neuropathischer Schmerz, ist immer dann anzunehmen, wenn die Gefühlsstörungen dem Versorgungsgebiet eines Gefühlsnervs (= sensorischen Nervs) im Gewebe oder einer geschädigten Nervenwurzel, eines Rückenmarkabschnittes oder Gehirnbereiches entsprechen. Typische Zeichen und Symptome sind einschießende, elektrisierende oder brennende Schmerzen, Kribbeln und Ameisenlaufen, Taubheit im betroffenen Gebiet sowie Schmerzverstärkung durch leichte Berührung. Die Beschwerden treten oft in Ruhe auf oder können leicht ausgelöst werden. (Quelle: Österreichische Schmerzgesellschaft)

In einfachen Worten:
Sie kennen das Phänomen „Phantomschmerzen“: Der Arm wurde durch einen Unfall abgetrennt und doch fühlt es sich an, als würde die Hand (die ja nicht mehr vorhanden ist) schmerzen. Der Nerv oder die wahrnehmende Stelle im Gehirn ist überfordert, weil keine oder weniger Reize kommen und reagiert mit Alarmsignalen.
Etwa so kann man sich vorstellen, dass auch bei einer geringen Nervenschädigung – und die kann durchaus so gering sein, dass sie in der Nervenleitgeschwindigkeitsmessung nicht auffällt – ähnliche „Fehlreaktionen“ auftauchen.
Betroffene berichten von extremen Schmerzen, die sich brennend oder stechend anfühlen.
Oder von kribbelnden Empfindungen oder „es fühlt sich an, als würden Ameisen über die Haut laufen“.
Die Beschwerden werden oft in der Nacht stärker und beeinträchtigen damit auch die Schlafqualität.

Taubheit, Klammer-, Kältegefühle – wenn Wahrnehmung verschwindet

Wie sehr Taubheit, Klammer- und Kältegefühle die Lebensqualität beeinträchtigen ist für Außenstehende oft schwer nach zu vollziehen.
Doch ist der Leidensdruck groß – weil die Körperwahrnehmung aus dem Lot ist!
Man unterscheidet zwischen taktiler Wahrnehmung (Oberflächensensibilität) und kinästhetischer Wahrnehmung (Tiefensensibilität).

„Die taktile Wahrnehmung stellt die Oberflächensensibilität dar und leitet Reize weiter, die durch Druck, Berührung, Schmerzempfindung oder einen Temperaturwechsel ausgelöst werden. Die kinästhetische Wahrnehmung hingegen ist für die Tiefensensibilität verantwortlich, also für die Empfindung in Muskeln und Gelenken. Eine Mischung aus beiden, also eine taktil-kinästhetische Wahrnehmung ist für das Erlernen der Umwelt im Kindesalter erforderlich. Eine taktil-kinästhetische Wahrnehmungsstörung kommt aufgrund eines angeborenen Defektes zustande, was beim Kind zu einer Fehlwahrnehmung führt“ (Quelle: https://flexikon.doccheck.com/).

Ein weiterer Fachbegriff ist Parästhesie:

Die Parästhesie bezeichnet eine unangenehme, aber primär nicht schmerzhafte Körperempfindung, die nicht durch adäquate Reize ausgelöst wird. (Quelle: https://flexikon.doccheck.com/).

Bei einer Polyneuropathie ist die Verschlechterung meist schleichend. Die Leistung der Nerven ist beeinträchtigt, und zwar sowohl die motorische Leistung als auch die wahrnehmende: Wie ist der Untergrund beschaffen, wie setzt mein Fuß auf. Der Untergrund wird in meiner Wahrnehmung immer schwammiger, rutschiger, beängstigend. Bis man merkt, was nicht stimmt sind Muskeln verkürzt oder verkümmert, auch die Stimmung leidet.

Typische Aussagen:

„Meine Füße fühlen sich an wie in zu engen Skischuhen“

„Diese Füße sind so klamm, wie Eisblöcke – ich kann sie nicht richtig ansteuern!“

„Das ist, wie wenn die Füße nicht zu mir gehören, als wäre da unten gar nichts mehr oder nur eine schwammige Masse.“

„Die Hände fühlen sich kalt und klamm an, sind aber gar nicht kalt.“

Hochtontherapie hilft auch gegen diese Beschwerden, der Erfolg wird aber oft lange nicht bemerkt – so wie auch die Verschlechterung oft  lange nicht bemerkt wurde….

Gangstörung durch PNP, ein Mix: Fußheberschwäche und Lagewahrnehmung

Eine Polyneuropathie beeinträchtigt die Gangsicherheit auf zweierlei Weise: Die Leistung der Nerven ist reduziert, und zwar sowohl die motorische Leistung als auch die wahrnehmende: Wie ist der Untergrund beschaffen, wie setzt mein Fuß auf. Der Boden wird in meiner Wahrnehmung immer schwammiger, rutschiger, beängstigend. Bis man merkt, was nicht stimmt, sind Muskeln verkürzt oder verkümmert, auch die Stimmung leidet.

Nerven sorgen nicht nur für Bewegung, sie „lauschen“ auch: Wie der Boden sich anfühlt, wie der Fuß ausgerichtet ist, ob etwas berührt oder drückt. Bei einer Polyneuropathie gehen diese Informationen verloren. Das macht unsicher und verhindert normale Muskelaktivität.

Noch schwieriger wird es, wenn der Vorfuss nicht mehr „automatisch“ angesteuert und gehoben wird. Dann führen schon sehr kleine Unebenheiten zum Sturz, es empfiehlt sich gezieltes Training mit einem Physio- oder Ergotherapeuten oder Unterstützung durch eine Orthese.

Tipp:
1. In Bewegung bleiben hilft.
2. Sollten Sie sich unsicher beim Gehen fühlen, verwenden Sie lieber zwei Stöcke (Walkingstecken) als einen. Geht man mit einem Stock stützt man einseitig Gewicht darauf, der Gang wird unrund.

Barbara Chaloupek für wissen@schuhfriedmed.at